Senatssitzung zu Intersex*-Protesten in Gießen und Marburg

Am 06.06.2012 fand die Senatssitzung der Universität Gießen statt.
Leider war der Senat nicht bereit auf alle unsere Forderungen einzugehen, sondern nur wage eine historische Aufarbeitung zu erwägen.
Mehr dazu aus einem Blogposting von zwischengeschlecht.org:

„…Nach reger Diskussion überwies der Senat zuletzt EINSTIMMIG einen Kompromissvorschlag von Uni-Präsident Prof. Joybrato Mukherjee, das Dekanat solle zusammen mit dem Institut für Medizingeschichte eine historische Aufarbeitung kosmetischer Genitaloperationen erwägen. Danke!

Aufarbeitung ist der erste Schritt zu einer gesellschaftlichen Aussöhnung. Dieser Blog freut sich riesig, dass nach der Philipps-Universität Marburg nun auch die JLU die Problematik innerhalb ihres Geltungsbereichs proaktiv interdisziplinär angehen will – und somit einen wichtigen Beitrag leistet zur Beendigung eines gesellschaftlichen Tabus, das bekanntlich generationenlang erhebliches Leid über die Betroffenen brachte. Die JLU ist dazu fachlich gut aufgestellt. Nun sind Taten gefragt! Fortsetzung folgt …“

Neben Erwägungen, in wie fern unser Protest und der von Zwischengeschlecht.org in Zukunft weitergehen wird, werden wir hin und wieder beim Dekanat des Fachbereichs 11 und dem Institut für Geschichte der Medizin von Zeit zu Zeit nachfragen, um zu erfahren, ob eine Aufarbeitung nicht nur erwägt wurde, sondern auch konkret umgesetzt wurde, was die kosmetischen Genitalverstümmelungen am Uniklinikum Gießen und Marburg anbelangt. Danke für alle Personen, die uns bei den Protesten unterstützt haben, bei der Person, die den Protest angeregt hat, und bei allen, die auf das Thema „kosmetische geschlechtszuweisende Operationen bei Kindern“ aufmerksam gemacht wurden.

Zur Sitzung in den Ausgaben des 09.06.2012:
Gießener Allgemeine
Gießener Anzeiger

Senat und Sprechstunde (2)

Am morgigen 06.06.2012 wird im Senat eine Anfrage zu genitalverstümmelnden Maßnahmen an Kindern am UKGM behandelt. Da wir dort anwesend sein werden fällt die Sprechstunde des Referats leider aus, da die Senatssitzung länger gehen kann.

Die Menschenrechtsgruppe zwischengeschlecht.org, die morgen anwesend sein wird, schrieb hierzu:
„In der Senatssitzung vom 25.04.2012 der Justus-Liebig-Universität Gießen war das Thema „kosmetische Genitaloperationen im Universitätsklinikum Gießen / Marburg an Kindern und Jugendlichen“ bereits Tagesordnungspunkt. Prompt hatten die (ausser dem Dekan abwesenden) angesprochenen Medizin-Professoren der JLU versucht, mit einer an der Sitzung vom Rektor mündlich verlesenen „Erklärung“ eine eigentliche Debatte zum Thema zu verhindern – wenn auch ohne Erfolg.

Der Senat beschloss vielmehr, an der nächsten Sitzung vom kommenden Mittwoch 06.06.2012 das Thema sowie ausdrücklich auch eine Debatte erneut auf die Tagesordnung zu setzen (vgl. TOP 19). Zur Beratung steht dabei u.a. an, ob auch die JLU Gießen eine öffentlich zugänglich zu machende historische Aufarbeitung enschlägiger kosmetischer „Genitalkorrekturen“ an Kindern bewirken will. Betroffene fordern schon lange die bis in die 1980er-Jahre regelmäßig durchgeführten, medizinisch nicht notwendigen Klitorisamputationen an betroffenen Kindern aufzuarbeiten.“
Weitere Informationen bei der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Die Senatssitzung beginnt um 14 Uhr (Ludwigstraße 23, im Uni-Hauptgebäude).

Senat und Sprechstunde

Am morgigen 25.04.2012 wird im Senat eine Anfrage zu genitalverstümmelnden Maßnahmen an Kindern am UKGM behandelt. Da wir dort anwesend sein werden fällt die Sprechstunde des Referats leider aus.

Die Senatssitzung beginnt um 14 Uhr (Ludwigstraße 23, im Uni-Hauptgebäude) und kann unter Umständen länger gehen.

Veranstaltungen in den nächsten Tagen

Nach der Frühlingsgefühle-Party mit veganem Grillen und feucht-fröhlichem Beisammensein, folgte gestern eine Protestveranstaltung vor dem Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM). Zusammen mit der Menschenrechtsgruppe zwischengeschlecht.org waren wir mit dem FrauenLesben-Referat Marburg und dem autonomen queer-feminischen Frauenreferat Gießen einig in der Forderung: Keine Operationen mehr am UKGM an Kindern, die mit „uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen“ geboren werden. Ausserdem fordern wir eine Aufarbeitung der Praktiken am UKGM. Betroffene sollen später selbst entscheiden können, ob sie Operationen wollen. Unsere Forderung bezieht sich selbstverständlich nicht auf Operationen, die medizinisch notwendig sind. Die Operationen, die wir kritisieren sind in den überwiegenden Fällen kosmetische Operationen, welche medizinisch nicht notwendig sind, weitere Operationen zur Folge haben und vorallem einen langen Leidensweg für die Betroffenen.

In Marburg findet heute eine Informationsveranstaltung zum Thema Inters*x statt: Der Infoabend findet um 19 Uhr im Hörsaal 115 (+1/0120), Hörsaalgebäude, Philipps-Universität Marburg, statt.

Ein ähnlicher Vortrag wird am Dienstag in Gießen stattfinden: Im Café Giramondi, Bahnhofstraße 53, 35390 Gießen. 19 Uhr.

In Gießen wird am heutigen Montag (23.04.2012) der Einführungsvortrag der Queeren Ringvorlesung stattfinden. Diesen wird Dr. María do Mar Castro Varela halten. Thema ist: „Postkolonialismus und sexuelle Identität“. Ein bis jetzt nicht vielfältig beachtetes, jedoch spannendes Thema. In der Bismarckstraße 37 (Alte Universitätsbibliothek) findet der Vortrag um 19 Uhr statt.

Am Mittwoch werden wir dann eine Anfrag zum Thema Intersex in den Gießener Senat einbringen. Die Sitzung ist öffentlich und findet am 25.04.2012 um 14 Uhr im Universitäts-Hauptgebäude in der Ludwigstraße 23 statt. Mehr dazu unter www.zwischengeschlecht.info

Pressereaktionen auf die Proteste am Sonntag:
– Artikel mit Foto über unsere Proteste am 22.04.2012 vor dem UKGM. Gießener Anzeiger (Artikel vom 23.04.2012).
– Artikel mit Foto über unsere Proteste am 22.04.2012 vor dem UKGM. Gießener Allgemeine (Artikel vom 23.04.2012).

Zwei Fliegen mit einer Klappe (zum Senatsantrag bezüglich kosmetischen Genitaloperationen im Universitätsklinikum Gießen und Marburg)

PRESSEMITTEILUNG des Autonomen FrauenLesben-Referats im AStA Marburg

Zwei Fliegen mit einer Klappe

In der Senatssitzung der Universität Marburg am 16.04.2012 wurde als Tagesordnungspunkt 9 der Antrag „Stellungnahme des Senats zu kosmetischen Genitaloperationen im Universitätsklinikum Marburg / Gießen an Kindern und Jugendlichen“ von den Linken Listen und dem Autonomen FrauenLesbenReferat in Kooperation mit der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org eingebracht.

Darin wurde der Senat und das Präsidium aufgefordert, eine öffentliche Stellungnahme zur Problematik von kosmetischen Genitaloperationen bei Kindern und Jugendlichen mit „atypischen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen abzugeben, eine Darstellung und Auseinandersetzung zum Ausmaß und Umfang dieser Praxis am Universitätsklinikum Marburg zu bewirken und sich für eine Untersagung dieser Praxis einzusetzen.

Schon zu Beginn der Sitzung wurde versucht dem Tagesordnungspunkt durch Streichung zu entgehen.

Neben den regulären Senatsmitgliedern waren Vertreter_innen der antragstellenden Gruppen sowie weitere Gäste anwesend. In den hinteren Reihen fanden sich Vertreter des Uniklinikums ein. Letztere waren vom Universitäts-Präsidium eingeladen worden, um den Umgang mit kosmetischen Genitaloperationen am Uni-Klinikum zu erläutern. Der (Chef?) Vertreter der Kinderchirurgie erklärte zunächst wie auch gegenüber der OP, dass nur medizinisch indizierte Operationen an Kindern und Jugendlichen durchgeführt würden. Um so erstaunlicher war dann seine Antwort auf eine detailliertere Nachfrage hinsichtlich des Vorgangs bei einer Operation der Harnwege (Hypospadie“korrektur“), in welcher er lapidar meinte, dass wenn während einer medizinisch notwendigen Operation die Möglichkeit einer kosmetischen Korrektur bestünde, man dann auch „zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt.“

Die Aufforderung des Präsidiums und verschiedener Senatsmitglieder „doch den Experten zu vertrauen“ erscheint durch die oben angeführte Äußerung in einem anderen Licht. „Natürlich werden in der medizinische Praxis diese Operationen nicht als kosmetische Genitaloperationen bezeichnet, sondern sie werden mit anderen Begriffen verschleiert“, kommentiert Petra Thesing, Senatorin der Linken Listen, die Ausführungen des Kinderchirurgen.

Angesichts solcher Äußerungen erscheint die Reaktion des Senats noch verwunderlicher zu sein. Viele Senatsmitglieder fanden das Thema zwar interessant und wollen sich weiter damit auseinandersetzen, dennoch wurde nur einer Darstellung und Analyse der gegenwärtigen und historischen Praxis in Marburg und der Umgang in der Lehre zugestimmt. Eine öffentliche Stellungnahme und eine klare Positionierung gegen nicht medizinisch notwendige Genitaloperationen bei Kindern und Jugendlichen wurde hingegen abgelehnt.

ANTRAG: Stellungnahme des Senats zu kosmetischen Genitaloperationen im Universitätsklinikum Marburg / Gießen an Kindern und Jugendlichen

Kosmetische Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen, die sogenannte „atypische“ körperliche Geschlechtsmerkmale aufweisen, haben für viele der Betroffenen verheerend psychische und physische Folgen. Darunter fallen Verlust der sexuellen Empfindungsfähigkeit, schmerzende Narben im Genitalbereich, gesundheitliche Schäden infolge der Kastration und Traumatisierung durch aufgezwungene Behandlungen.

Seit Jahren kritisieren u.a. die Deutschen Sektionen von Amnesty International und Terre des Femmes diese Eingriffe als menschenrechtswidrig und unterstreichen die Parallelen zur weiblichen Genitalverstümmelung.1 Ebenso rügten die UN-Komitees CEDAW und CAT Deutschland wegen Nichteinhaltung ihrer Schutzpflicht gegenüber den betroffenen Kindern und Jugendlichen.2

Wir sehen diese medizinischen Eingriffe als eine starke Beschneidung des Rechts von Kindern und Jugendlichen auf körperliche Integrität und Lebensqualität, insbesondere im Bereich des sexuellen Empfindungsfähigkeit, und die freie Entwicklung der Persönlichkeit, sowie des Rechts von Kindern und Jugendlichen auf Partizipation bzw. Selbstbestimmung. In verschiedenen Ländern, wie der Schweiz und Deutschland, wurde aktuell die ethische Überprüfung von kosmetischen Genitaloperationen veranlaßt. In der BRD veröffentlichte der Deutsche Ethikrat im Auftrag der Bundesregierung am 23. Februar dieses Jahres eine Stellungnahme „Intersexualität“3, die das physische und psychische Leiden der Betroffenen von kosmetischen Genitaloperationen und –behandlungen anerkannte und einen anderen Umgang mit nicht-eindeutigen körperlichen geschlechtlichen Merkmalen forderte4. Zudem forderte der Deutsche Ethikrat dazu auf, den Betroffenen Entschädigungsleistungen zukommen zu lassen5 und im gleichen Zuge die Verjährung analog den bereits bestehenden Gesetzen betreffend sexualisierte Gewalt an Kindern und Schutzbefohlenen auszusetzen.6

Um den Umfang und das Ausmaß an kosmetischen Genitaloperationen nachvollziehen zu können, bedarf es ebenfalls einer historischen Betrachtung. Prof. Dr. Hans Naujoks, der ab 1926 als Oberarzt und Professor auch in Marburg und später als Leiter der Frauenklinik in Köln tätig war, beispielsweise führte bereits Genitaloperationen und künstliche Hormonbehandlungen an Kindern und Jugendlichen durch und publizierte einige Studien zu dem Thema. In einer Dissertation von 1996 wurde in diesem Zusammenhang eine Publikation von Hans Naujoks aus dem Jahr 1934 hervorgehoben, die eine „[Klitoris-]Amputation mit Stumpfbildung“7 in Verbindung mit einer experimentelle Fertilitätsbehandlung mit künstlichen Hormonen schilderte. Erst vor Kurzem wurden seine Methoden und Ansätze u.a. vom Deutschen Ethikrat als „rassistisch motivierte medizinische Operationen an intersexuellen Menschen“ (Dt. Ethikrat, 19.7.11) kritisiert.8 Der Umgang mit derartigen medizinischen Praxen zeigt eine Kontinuität in der Behandlung von intersexuellen Menschen mit nicht-eindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf, die zurück bis in die NSZeit in Deutschland reichen.

Auch an den Universitätskliniken in Gießen und Marburg werden weiterhin in Bereichen der Endokrinologie, Kinderchirurgie und Kinderurologie kosmetische Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen durchgeführt, u.a. Hypospadiekorrekturen, Klitoris- und Vaginalplastiken und chirurgische Hodenverlagerungen. Auch am Klinikum Fulda, dem Akademischen Lehrkrankenhaus der Philipps-Universität Marburg, werden in der Fachabteilung der Kinderurologie regelmäßig Hypospadiekorrekturen und chirurgische Hodenverlagerungen durchgeführt.9 experimentelle Fertilitätsbehandlung mit künstlichen Hormonen schilderte. Erst vor Kurzem wurden seine Methoden und Ansätze u.a. vom Deutschen Ethikrat als „rassistisch motivierte medizinische Operationen an intersexuellen Menschen“ (Dt. Ethikrat, 19.7.11) kritisiert.8 Der Umgang mit derartigen medizinischen Praxen zeigt eine Kontinuität in der Behandlung von intersexuellen Menschen mit nicht-eindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf, die zurück bis in die NSZeit in Deutschland reichen. Auch an den Universitätskliniken in Gießen und Marburg werden weiterhin in Bereichen der Endokrinologie, Kinderchirurgie und Kinderurologie kosmetische Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen durchgeführt, u.a. Hypospadiekorrekturen, Klitoris- und Vaginalplastiken und chirurgische Hodenverlagerungen. Auch am Klinikum Fulda, dem Akademischen Lehrkrankenhaus der Philipps-Universität Marburg, werden in der Fachabteilung der Kinderurologie regelmäßig Hypospadiekorrekturen und chirurgische Hodenverlagerungen durchgeführt.9

Wir fordern den Senat und das Präsidium der Philipps-Universität Marburg auf:

– eine öffentliche Stellungnahme gegen nicht medizinisch notwendige Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen und nicht medizinisch notwendigen Hormonbehandlungen an Kindern und Jugendlichen abzugeben.

– eine öffentlich zugängliche Darstellung des Umfangs, dem (historischen) Ausmaß und der Dauer von kosmetischen Genitaloperationen zu bewirken. Dies beinhaltet zudem eine Analyse über den Umgang mit kosmetischen Genitaloperationen in der Lehre.

– Des weiteren fordern wir den Senat der Philipps-Universität Marburg auf sowohl in der medizinischen Ausbildung als auch am Universitäts-Klinikum der Universitätsstadt Marburg und deren Zweigstellen darauf hinzuwirken, dass diese Operationen und Behandlungen als Bestandteil der medizinischen Praxis untersagt werden.

1 – Amnesty International, Sektion Deutschland: Vgl. Beschluss der Jahresversammlung 2010. http://www.mersihamburg.

de/Main/20100526001

– Konstanze Plett: „Die Macht der Tabus“, amnesty journal 03/08, S. 23.

– Terre des Femmes Deutschland: Vgl. Marion Hulverscheidt: „Weiblich gemacht? Genitalverstümmelung bei afrikanischen Frauen und bei Intersexuellen“, in: TDF- Menschenrechte für die Frau 3/4/2004, S. 23-26.

Auch internationale FGM-Expertinnen unterstreichen seit Jahren die Parallelen zur weiblichen Genitalverstümmelung, vgl.:

– Hanny Lightfoot-Klein: „Der Beschneidungsskandal“. Berlin: Orlanda, 2003

– Hana Asefaw/Daniela Hrzán: „Genital Cutting – Eine Einführung“, in: ZtG Bulletin 28, Berlin 2005.

2 Abschliessende Bemerkungen des UN-Komitees zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zum 6. Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland(CEDAW/C/DEU/CO/6), Punkte 4, 61, 62 und 67. http://www2.ohchr.org/english/bodies/cedaw/docs/co/CEDAW-C-DEU-CO6.pdf

3 http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/stellungnahme-intersexualitaet.pdf .

4 Empfehlung 6 und 7 zur medizinischen Behandlung, Stellungnahme „Intersexualität“ S. 174.

5 Vgl. Abschnitt 8.3.8.1. „Entschädigungsfonds“, Stellungnahme „Intersexualität“ (S. 164-166).

6 Empfehlung 14 zur medizinischen Behandlung, Stellungnahme „Intersexualität“ S. 176.

7 Dominik Leitsch: „Die Intersexualität. Diagnostik und Therapie aus kinderchirurgischer Sicht.“ Dissertation, Köln 1996, S. 47. Die von Leitsch angesprochene Publikation: Hans Naujoks: „Über echte Zwitterbildung beim Menschen und ihre Beeinflussung“, in: Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie Nr. 109/2, S. 135-161.

Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen an Inters*x-Personen: Marburg + Giessen 15.-25.04.2012

Momentan ist wieder viel los, aber so ist es halt: Das Semester hat begonnen und neue Aktionen beginnen.
Zusammen mit anderen studentischen Gruppen protestieren wir binnen der nächsten 2 Wochen nächsten gegen die übliche Praktik an Kliniken, dass Kinder, deren Geschlechtsmerkmale „nicht eindeutig“ sind, im Kindesalter zurechtgeschnitten werden: Der Auftakt beginnt am Sonntag, dem 15., mit Friedlichem Protest: 14-17h Universitätsklinikum Marburg, Haupteingang, Baldinger Straße, 35043 Marburg.

Weitere Informationen erhaltet ihr zeitnah hier und über www.zwischengeschlecht.org

http://blog.zwischengeschlecht.info/public/NZZ-Format_Unvers_490x276.jpg

Marburg 15.+16.+23.4.2012:
• Friedlicher Protest: So 15.4.2012 14-17h Universitätsklinikum Marburg, Haupteingang, Baldinger Straße, 35043 Marburg
• Öffentliche Senatssitzung: Mo 16.4. 14:15h Senatssitzungssaal
>>> Antrag Nr. 06-195 + Tagesordnung (–> TOP 9)
• Infoabend: Mo 23.4.2012, 19h Hörsaal 115 (+1/0120), Hörsaalgebäude, Philipps-Universität Marburg

• Gießen 22.+24.+25.4.2012: Friedlicher Protest: So 22.4.2012 Mehr in Kürze. Infoabend: Di 24.4.2012 19h Mehr in Kürze. Behandlung im Senat: Mi 25.4.2012 Mehr in Kürze.
Helft mit, die TäterInnen daran zu erinnern, dass wehrlose Kinder zu verstümmeln NICHT OK ist! Wir sehn uns, wo die Action ist …

23.02.2012 – Pressemitteilung der Menschenrechtsorganisation „zwischengeschlecht.org“ im Bezug auf die kommende Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zu „Intersexualität“

Ethikrat: 150-jährige Geschichte der Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken jetzt beenden!

Heute präsentiert der Deutsche Ethikrat in Berlin seine Stellungnahme zu „Intersexualität“. Zahllose Betroffene erhoffen sich davon entscheidende Impulse zur Beendigung der verheerenden kosmetischen Genitaloperationen an „uneindeutigen“ Kindern. Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org wird zuvor eine Stunde lang über die blutige Geschichte dieser „westlichen Genitalverstümmelungen“ informieren und mit einer farbenfrohen friedlichen Aktion die politisch Verantwortlichen zum Handeln auffordern (09:30-10:30 Uhr vor dem dbb forum, Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin).

Seit über 150 Jahren experimentieren westliche Chirurgen an Kindern mit „abnormalen Geschlechtsteilen“ oder „Hermaphroditen“, wie sie es zunächst nannten. Zwar waren im 19. Jahrhundert fragwürdige Praktiken wie zum Beispiel Klitorisamputationen auch bei „normalen Mädchen“ verbreitet. Während bei diesen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert die Unmenschlichkeit solcher „Heilmittel“ erkannt wurde und die Mediziner davon abkamen, wurden ab 1950 bei „Intersexuellen“ (wie der medizinische Fachbegriff nun lautete) Genitalamputationen und sonstige verstümmelnde Operationen ausgeweitet und ab ca. 1960 flächendeckend und systematisch im Kindesalter durchgeführt. Heute reden die Mediziner von „Genitalkorrekturen“ bei „Störungen der Geschlechtsentwicklung“ und allein in Deutschland wird jeden Tag mindestens ein wehrloses Kind einem solchen Eingriff unterzogen – ohne dessen Einwilligung, ohne medizinische Notwendigkeit, ohne Evidenz und obwohl Betroffene seit bald 20 Jahren öffentlich dagegen protestieren.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org appelliert an die Verantwortlichen in Politik und Justiz, jetzt konkrete Schritte einzuleiten, um diese menschenrechtswidrigen Genitalverstümmelungen in unseren Kinderkliniken endlich zu stoppen. Seit 1996 hatte die Bundesregierung die Anliegen der Betroffenen von kosmetischen Genitaloperationen im Kindesalter ignoriert und geleugnet. Noch 2010 verkündete der Berliner Senat über „keine Erkenntnisse über konkrete Fälle mit derartigen Eingriffen oder Therapien“ zu verfügen. Noch 2011 leugnete der Bremer Gesundheitsstaatsrat Hermann Schulte-Sasse im Bremer Landtag öffentlich das Fortdauern der Zwangsoperationen. Obwohl bereits 2008 das Kölner Landgericht entschieden hatte, im Fall von Christiane Völling sei „das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin in ganz erheblichem Maße verletzt worden“.

Auch dass der Deutsche Ethikrat nun heute eine Stellungnahme präsentiert, geschah letztlich erst, nachdem sich Betroffene an das UN-Komitee CEDAW wandten und dieses 2009 die Bundesregierung zum Handeln aufforderte. Eine Kritik, die erst letztes Jahr das UN-Komitee gegen Folter erneut bekräftigte. Auch der UN-Menschenrechtsrat wird sich dieses Jahr zum ersten Mal mit diesem Thema befassen.

Laut BMBF-finanzierten Studien werden heute noch 90% aller Betroffenen im Kindesalter oft mehrfach irreversibel kosmetisch genitaloperiert. Ihr Schrei nach Gerechtigkeit darf nicht mehr länger ignoriert, ihre berechtigten Anliegen dürfen nicht mehr weiter auf die lange Bank geschoben oder für Geschlechterpolitik instrumentalisiert werden. Niemand mehr wird später mit gutem Gewissen sagen können, man habe es nicht gewusst. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie „Menschenrechte auch für Zwitter!“.

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.“

Eine Pressemitteilung von zwischengeschlecht.org, http://blog.zwischengeschlecht.info/